Besuch der bergischen Synagoge

Gemeinsam

Die Wurzel unseres christlichen Glaubens

Papst Johannes Paul II. sagte eins:

Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas „Äußerliches“, sondern gehört in gewisser Weise zum „Inneren“ unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder“

[Quelle: vatican.va]

Heute erhielten wir die Gelegenheit zu erfahren, was genau er damit gemeint hatte: Gemeinsam mit dem Firmlingen wurden wir eingeladen die hiesige bergische Synagoge in Wuppertal Barmen zu besichtigen. Pünktlich um 16:45 Uhr trafen wir uns mit den Firmlingen am Alter Markt und gingen von dort zur nicht weit entfernten Synagoge.

Geschichte der bergischen Synagoge

Nachdem wir sehr freundlich empfangen wurden, erhielten wir zuerst einige Informationen zur Synagoge und zu ihrer Entstehungsgeschichte, die erst 2002 mit ihrem Bau und der Eröffnung begann. Es war jedoch nicht die erste Synagoge in Wuppertal: die bereits 1897 erbaute Synagoge (zur Scheuren) wurde im Rahmen der Reichspogromnacht 1938 von den Nationalsozialisten niedergebrannt. In der NS-Diktatur wurden seitdem viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde ermordet oder vertrieben, so dass die Anzahl der Mitglieder mit den Jahren stark geschrumpft ist: Den Tiefpunkt erlebte sie in den 80er Jahren mit gerade einmal 65 Mitgliedern. Innerhalb von wenigen Jahren wuchs sie jedoch vor allem bedingt durch einen Zustrom von sog. Kontigentflüchtlingen wieder rasant auf ca. 2000 Mitglieder an. Mit dem Wachstum der Mitgliederzahlen wuchs daher auch die Notwendigkeit zum Bau einer neuen Synagoge, die schließlich 2002 eingeweiht wurde. Über dem Portal zum Eingang der Synagoge findet sich ein Wort des Propheten Jesaja: ביתי בית תפלה יקרא לכל העמים (übersetzt: "denn mein Haus wird ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden": Jes 56,7) Dieses steht dort zur Erinnerung an die alte Synanoge, die ebenfalls dieses Wort an ihrem Eingang geschrieben stehen hatte.

Leider wurde ihre Geschichte 2014 durch einen verübten Brandanschlag erschüttert, bei dem jedoch zum Glück niemand verletzt wurde.

Unsere gemeinsamen Glaubens-Wurzeln

Der jüdische Glaube, der u.a. in den Erzählungen der Tora (hebr. תּוֹרָה) dokumentiert ist, die übersetzt auch "Gesetz", "Weisheit", "Gerechtigkeit" oder "Verheißung" bedeutet, entspricht auch unserem christlichen Glauben, der wiederum in den fünf Büchern Mose (Genesis, Exodus, Numeri, Levitikus und Deuteronomium), dem Kernstück des alten Testaments, niedergeschrieben steht. Wir Christen haben auch die anderen beiden Teile des Tanach Nevi’im (Propheten) und Ketuvim (Schriften) weitesgehend in unseren Bibelkanon übernommen. Wir teilen daher die gleiche Geschichte zwischen Gott und dem Menschen, in der Gott immer wieder das Bündnis mit uns Menschen bekräftigt und erneuert hat - und damit seine Liebe uns gegenüber eindrücklich bewiesen hat, angefangen mit Abraham und Isaak, über die 12 Stämme Israels bis hin zu Mose und der Befreiuung des Volkes Israel aus Ägypten. Dazu gehört auch der Dekalog, d.h. die 10 Gebote, die Gott dem Mose und dem Volk Israel auf dem Berg Horeb verkündet hat. Nicht zuletzt war Jesus selbst ein gläubiger Jude, der die zehn Gebote mit dem Gebot der Liebe noch erweitert und verschärft hat. Wir Christen glauben daran, dass er die Erfüllung der Verheißung ist, die Gott dem Volk Israel gegeben hat.

Daher können wir Christen die Juden zu Recht als unsere älteren Brüder und Schwestern im Glauben nennen.

Während die Juden jedoch noch auf die Ankunft des Messias warten, glauben wir Christen daran, dass dieser, Jesus Christus, uns bereits gerettet hat und eines Tages wiederkommen wird, um uns dann zum Vater zu führen.

Traditionen

Bei der Besichtigung der Synanoge und ihrer Präsentation hat mich am meisten beeindruckt, wie viel Wert auf Traditionen gesetzt wird und wie andächtig und ehrfürchtig bestimmte Rituale ausgeübt werden - dazu gehören u.a.:

  • Pessach / Pascha (hebr. פֶּסַח pésach), d.h. das Fest der Befreiuung aus Ägypten (auch Jesus hat das Pascha mit seinen Jüngern gefeiert)
    • nur bestimmte Speisen werden verzehrt, zur Erinnerung an den Auszug seinerzeit
  • Sukkot (hebräisch סֻכּוֹת oder סוּכוֹת) - das Laubhüttenfest, d.h. die Erinnerung an die Wüstenwanderung:
    • die jüdische Familie zieht für eine Woche in ein Zelt oder eine Hütte und lebt dort in diesem Zeitraum
  • Mesusa (hebr. מזוזה) - eine Schriftkapsel am Türpfosten zur Erinnerung an das Mahl, das die Israeliten vor ihrem Auszug an die Türpfosten mit Blut gemalt hatten, damit der Engel Gottes sie verschonte:
    • einer Erklärung nach hängt es immer schräg, um damit auszudrücken, dass nur Gott die Dinge richtig/gerade machen kann und nicht der Mensch
  • Jom Kippur (hebr. יוֹם כִּפּוּר) - der Tag der Versöhnung
    • Man fastet, betet, bekennt die eigenen Sünden
    • Man bittet direkt denjenigen um Vergebung, dem man Leid zugefügt hat
  • Das Tragen der Kippa (hebr. כִּפָּה) - als Zeichen der Demut und als Erinnerung daran, dass immer noch jemand über einem steht: Gott
    • auf die Frage eines Firmlings, warum Frauen die Kippa nicht tragen müssen, haben wir eine interessante und witzige Erklärung erhalten: "Die Frauen müssen keine Kippa tragen, weil sie bereits wissen, dass Gott über ihnen steht, d.h. sie müssen nicht daran erinnert werden ;)
  • Begräbnis der Tora-Rolle
    • eine Tora-Rolle muss immer komplett leserlich sein: sobald auch nur ein Zeichen aufgrund des Alters unleserlich geworden ist, oder der Schreiber der Tora-Rolle sich auch nur bei einem Buchstaben verschrieben hat, wird sie aus Respekt nicht weggeworfen oder verbrannt, sondern auf einem jüdischen Friedhof begraben.
  • Unvollständige Synagogen
    • Die Synanogen werden so gebaut, dass sie unvollständig wirken (wie auch die von uns besuchte Synagoge in Wuppertal). Das wird als Zeichen dafür gemacht, um daran zu erinnern, dass es dem Menschen nicht gegeben ist, Vollendetes zu schaffen, sondern nur Gott allein vermag es.

Insgesamt eine aufschlußreiche Erfahrung, bei der auch neue Erkenntnisse zu Tage gefördert wurden.

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